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BIBLIOTHEK

FOR THE RECORD

Zur Reanimation von Archivzeit

Mit der audiovisuellen Revolution, die seit Joseph Nicéphore Nièpces erster permanenten Lichtgrafie 1826 (seit 1839 Photographie genannt) und Thomas Alva Edisons Phonographen von 1878 unsere Archive und unser kulturelles Gedächtnis umwälzt, ist das Medium Schrift nun mehr nur noch ein Zeitspeicher unter vielen. Bibliotheken, die sich zum Ziel nehmen, alle kulturellen Güter zu bewahren, wandeln sich zu Multimediatheken. Nicht nur, dass die Halbwertszeit aller neuzeitlichen, audio-visuellen Speichermedien im Vergleich zum Buch begrenzt ist, mit der digitalen Revolution verlieren Datenträger wie Schallplatte, Kassette und Disk endgültig an Bedeutung. Entgegen der weithin in unseren Zivilisationen institutionalisierten Kulturen des Lesens (Wissenschaft, Bibliotheken, Zeitschriften etc.) ist die kulturelle Auseinandersetzung mit nicht-schriftlichen Quellen erst mit der Informatisierung des Alltags durch das Internet auf dem Vormarsch. Mit der Web 2.0-Plattform Youtube.com entstand nicht nur eines von einer globalen Öffentlichkeit genutztes, sondern auch von ihren Nutzern generiertes und vervielfältigtes Onlinefilmarchiv mit einer jungen Kultur des Speicherns, Publizierens, Reinszenierens, Zitierens. In ihrem Schlagschatten entstehen ambitionierte und einzigartige Projekte, wie die von Kenneth Goldsmith 1996 begründete Internetdatenbank für avantgardistische Film-, Sound- und Poesieressourcen UbuWeb. Auch wenn diese neuartigen und wildwuchernden Archive zahlreiche historische Quellen wiederbeleben und neuen Publikumsgruppen zuführen, schlummern noch unzählige Datenträger, ihrem Verfallsdatum harrend, ungesichtet in Archiven. Einer Schätzung zufolge sollen es in Europa allein 16 Millionen Stunden Videoaufnahmen sein.

„For the Record“ widmet sich der künstlerischen Untersuchung archivarischer Prozesse und Strategien. Drei Vortragsveranstaltungen, zwei Installationen, eine Fotografiepräsentation, eine Performance sowie ein Filmscreening beschäftigen sich mit den audiovisuellen Inhalten von Archiven, ihrer Zugänglichkeit und Begrenzung, ihrer Vergänglichkeit, ihrem Machtpotenzial und ihrem Utopiecharakter. 

Weitere Informationen auf unserer Webseite unter Bibliothek und Veranstaltungen.

Gefördert durch

VORTRAG

ARCHIV QUO VADIS?

Arbeitspraktiken digitaler Archive im Wandel

mit Tabea Lurk (Hochschule der Künste, Bern) & Jürgen Enge (Staatliche Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe)

Di, 22. November 2011, 19 Uhr

Anhand ausgewählter Fallstudien und Archivierungsprojekte, die im Rahmen diverser Forschungsprojekte in den letzten fünf Jahren im Fachbereich Konservierung und Restaurierung der Hochschule der Künste Bern an der Berner Fachhochschule und am Prorektorat Forschung und Digitale Archive der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe realisiert wurden, widmen sich die beiden Referenten den Herausforderungen im Umgang mit analogen und digitalen Kulturgütern an der Schwelle zum digitalen Archiv.

Während gerade in einem künstlerischen Umfeld das Interesse an Archiven und Sammlungen sowie deren digitalen Repräsentationen kontinuierlich wächst, zeigen die Referenten das Spannungsverhältnis zwischen wissenschaftlichen Archivierungsprinzipien und Aufbewahrungsvorgaben und pragmatischen Lösungsansätzen auf. Wie anfangen? Wo liegen die Stolperfallen bei digitalen Arbeitspraktiken und welche Optionen könnten sich bieten?Der Workshop möchte nicht nur anhand der vorgestellten Beispiele Inhalte und Informationen vermitteln, sondern lädt die Teilnehmer dazu ein, eigene Fragestellungen einzubringen, die dann besprochen und diskutiert werden.

INSTALLATION

The Spirit of Art

Strictly off the Record

von Hagen Betzwieser, Andrew Hamilton und Ulrike Syha

25. November 2011 - 12. Februar 2012
Eröffnung: Do, 24. November 2011, 19 Uhr
Öffnungszeiten: Mo-Fr, 11-18

„The Spirit of Art - Strictly off the Record“ ist ein interdisziplinäres Projekt, das sich mit der Archivierung von Kunst und dem System Medienarchiv auseinandersetzt. Die Künstler Hagen Betzwieser, Andrew Hamilton und Ulrike Syha haben sich auf Einladung der HALLE 14 folgende Fragen gestellt: Was passiert mit Kunst, wenn sie archiviert wird? Hört Kunst in dem Moment auf, wenn sie gelagert, gespeichert, erfasst wird, Kunst im herkömmlichen Sinne zu sein– oder gelangt sie, weniger metaphysisch gedacht, möglicherweise bloß in einen anderen Aggregatzustand? Und wenn Letzteres zutrifft– ist dieser Vorgang reversibel? Oder ist die Archivierung von Kunst gar ein Ritterschlag, der Zeitpunkt, ab dem sie offiziell, also: langfristig zu leben beginnt? Gibt es da eine Essenz? Oder wird dieser Geist vielleicht schon im Betriebsalltag Kunst so sehr aufgerieben, dass er in einem Archiv gar nicht mehr ankommen kann? Wie zugänglich wünscht man sich überhaupt ein Archiv, wann rücken Fragen des Persönlichkeits- oder Urheberrechts in den Vordergrund? Und ist Zugänglichkeit im Zusammenhang mit einem Archiv vielleicht überhaupt kein entscheidendes Kriterium? Die multimediale Installation „The Spirit of Art– Strictly off the Record“ ist der Versuch, den technischen Vorgang des Archivierens mit Mitteln der Kunst selbst (Installation, Musik, projizierter Text) zu spiegeln, möglicherweise mit einem Augenzwinkern, dabei einige der oben genannten Fragen zu beantworten, und andere - im Dienste der Sache, also: der Kunst - besser unbeantwortet zu lassen.

Die Installation besteht aus knapp 200 Umzugskartons, gefüllt mit Kunstdokumenten und Dokumenten zur Kunst, arrangiert zu einer knapp fünf Meter hohen und begehbaren Festung. Umschlossen, geschützt und versteckt, wohnt dort der „Spirit of Art“. Betritt man die Festung, erwacht dieser kurzzeitig zum Leben. Durch die komplexen sowie politischen Prozesse, die dieses unerschlossene Archiv umgeben und durchdringen, verfallen der Inhalt und die Information in einen unbefristeten Dornröschenschlaf, so dass letztendlich die Hüllen zum Medium selbst werden können. Welche Geheimnisse und Erkenntnisse in den atomaren Bausteinen dieses roten Herings in Burgform liegen, kann nur die Zukunft beantworten.

PERFORMANCE

 

Spinnwerk Centraltheater - FOR THE RECORD

 

Sa, 26. November 2011, 20 Uhr

Ausgehend von dem Jahresthema des Spinnwerk Centraltheaters „Wut und Empörung“ werden sich dessen Workshopteilnehmer dem Archiv der Kunstbibliothek der HALLE 14 widmen. Das künstlerische Material wird auf das Thema hin untersucht und theatral bearbeitet. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung wird in den Räumen der HALLE 14 aufgeführt.

PRÄSENTATION

KREATIVE SPINNER - FOR THE RECORD

2. - 17. Dezember 2011
Eröffnung: Do, 1. Dezember 2011, 17 Uhr
Öffnungszeiten: Mo-Fr, 11-18

Im Rahmen von „For the Record“ fand eine begleitendes Kunstvermittlungsprojekt von Kreative Spinner statt. Innerhalb eines Workshops mit dem Künstler Emanuel Mathias waren die Schüler einer 8. Klasse der Rahn Schulen Leipzig gefragt, sich seinen Arbeiten anzunähern und sich selbst fotografisch zu inszenieren. Emanuel Mathias arbeitet mit filmischem Archivmaterial.

BIBLIOTHEK

READING LOSS

kuratiert von Anna Schneider, München

„Reading Loss“ ist eine Veranstaltungsreihe im Rahmen des Projektes „For The Record“, die dem konstitutiven Moment von Archiven und ihrer Deutung bzw. Umdeutung durch künstlerische Annäherungen nachgeht. Der Fokus liegt auf der Auseinandersetzung mit teilweise verloren gegangenen oder unzugänglichen Archiven. Sie macht den Umbruch von politischen Systemen sichtbar, legt deren sprachliche und visuelle Rhetorik offen– nicht zuletzt ermöglicht sie den schmerzlichen Prozess des Erinnerns an Verlust. Künstler und Filmemacher eröffnen durch ihre Interpretationen sowohl eine imaginäre Dimension als auch einen neuen analytischen Zugang zur politischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.

 

VORTRAG

Performing the Archive

Dominique Gonzalez-Foerster und die Kunst des Öffentlichen

von Beatrice von Bismarck (Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig)

Di, 29. November 2011, 19:30 Uhr

Archive lassen sich als von Machtverhältnissen durchzogene Orte beschreiben, an denen sich Legitimationsstrategien manifestieren. Die Bindung an die Vergangenheit, an das Gewesene, und die Statik einer solchen Vorstellung vom Archiv erklären die Sehnsucht nach ihrer Zerstörung, die sich seit der Museumskritik der Avantgarde der 1920er Jahre bis heute mit unterschiedlichen Zielsetzungen immer wieder artikuliert. Ausgeschlossen bleibt dabei nicht nur die konstitutive Kraft des Archivierens, die ihren Gegenstand in der Aufzeichnung erst hervorbringt, sondern auch Mehrstimmigkeit und Dynamik als Kennzeichen der Prozesse der Bedeutungskonstitution. Der Vortrag befasst sich am Beispiel der Praxis der französischen Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster mit dem Potential der Aktualisierung des Archivs, die die begründenden Annahmen seiner Entstehung zur Aufführung bringen und in dem Zuge einer Umdeutung unterziehen.

 

FILMSCREENING

Intervista & Videogramme einer Revolution

Do, 1. Dezember 2011, 18:30, Luru Kino

Anri Sala: Intervista (AL 1998, 25')

Im Haus seiner Eltern findet der damals 23-jährige Filmstudent Anri Sala eine Filmrolle: Sie zeigt Salas Mutter Valdet, die eine Rede auf dem Kongress der Kommunistischen Partei Albaniens (1977) hält. Doch die Tonspur ist verloren gegangen und die Mutter kann sich nicht mehr an den Sinn ihrer Worte erinnern. Auf der Suche nach der Tonspur des Filmmaterials besucht Anri Sala den früheren (und später inhaftierten) Parteiführer Envor Hoxha und den Tonmann des damaligen Filmstudios. Doch auch sie haben keine Erinnerung mehr. Erst bei einem Besuch in einer Schule für Taubstumme in Tirana können die Worte der Mutter rekonstruiert werden.

Anri Salas frühes Schlüsselwerk erzählt davon, wie eng Sprache mit den politischen Ideologien ihrer Zeit verbunden ist. Es ist damit auch ein Zeugnis des Versagens und des Verlustes der Sprache durch den Umbruch politischer Systeme: „Es ist ein bisschen so, als sei die Sprache zerbrochen“, meint Anri Sala selbst.

Harun Farocki und Andrei Ujica: Videogramme einer Revolution (DE 1992, 107')

Der Herbst 1989 blieb uns im Gedächtnis als eine Abfolge visueller Ereignisse. Den Bildern nach war die Geschichte wiedergekehrt. Wir sahen Revolutionen. Und das vollständigste Revolutionsszenario lieferte Rumänien. In nur zehn Tagen und nur zwei Städten spielte sich alles ab: Aufstand des Volkes, Sturz der Macht, Hinrichtung der Herrscher - in der Hauptstadt und vor der Kamera. Denn in Bukarest wurde der TV-Sender von Demonstranten besetzt, blieb etwa 120 Stunden auf Sendung und etablierte einen neuen historischen Ort: das Fernsehstudio. Das Geschehen wurde zudem von Videoamateuren und Kameramännern der staatlichen Filmstudios festgehalten. Wagte es beim Ausbruch des Aufstandes nur eine Kamera aufzuzeichnen, so waren einen Tag darauf gleich Hunderte im Einsatz. Zwischen dem 21. Dezember 1989 (der letzten Rede CeauÈ™escus) und dem 26. Dezember 1989 (der ersten TV-Zusammenfassung seines Prozesses) nahmen Kameras die Ereignisse an den wichtigsten Schauplätzen in Bukarest fast vollständig auf. Harun Farocki und Andrei Ujica rekonstruierten aus Amateur- und Profifilmmaterial eine Montage jener Tage mit der Absicht, die sichtbare Chronologie jener Tage zu rekonstruieren und dabei präzise das Verhältnis zwischen Macht und Medien zu untersuchen.

 

Vorschau

48

von Susana de Sousa Dias

14. Januar bis 12. Februar 2012
Eröffnung: Sa, 14. Januar 2012, Spinnerei-Rundgang

Was können Porträtfotografien über ein politisches System aussagen? Anhand von Archivmaterial aus dem Nationalarchiv Torre do Tombo geht de Sousa Dias den Spuren der 48 Jahre andauernden Diktatur (1926-74) in Portugal nach. Der Film ist eine Montage aus Porträtfotografien damaliger politischer Gefangener, die bei deren Inhaftierung auf- genommen wurden und ihren Originalstimmen.

STUDIO14

WHAT HAPPENED TO GOD?

Europäischer Künstleraustauschworkshop

13. - 28. November 2011

mit Chan Sook Choi, Sara Deraedt, Eja Deveckova, Laurent Dupont-Garitte, Maartje Fliervoet, Ei Ei Kyaw, Nikolai Nekh

Der Frage, was eigentlich mit Gott passiert ist, widmen sich derzeit sieben Künstler und der Jesuit und Kurator Friedhelm Mennekes in einem europäischen Künstleraustauschworkshop. Dieser Workshop ist bereits die dritte Auflage des Residency-Exchange-Programms (REX), das seit 2009 als Kooperationprojekt des Zentrums für zeitgenössische Kunst Wiels (Brüssel, BE), der Schule für bildende Kunst Maumaus (Lissabon, PT) und der HALLE 14 (Leipzig, DE) veranstaltet und von der Allianz Kulturstiftung gefördert wird. Ziel ist es, die Stipendiaten der beteiligten Institutionen zusammen und in künstlerische Dialoge zu bringen.

Auf dem Programm der ersten Woche standen Besuche der Max-Beckmann-Ausstellung im Museum der bildenden Künste Leipzig, der Freizeitwelt Tropical Islands in Krausnick als vermeintliches Paradies, der Gläsernen Manufaktur in Dresden als ideale Arbeits- und Konsumwelt, der Ausstellung „Himmlischer Glanz“ in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden, des Panoramabildes Amazonien im Asisi-Panometer Leipzig und des Bauernkriegspanoramas von Werner Tübke in Bad Frankenhausen.

Gefördert durch

KREATIVE SPINNER

HERBSTBLÄTTER

21. Oktober - 12. Dezember 2011
Ort: Café Versorgung, Spinnereistr. 7, 04179 Leipzig
Öffnungszeiten: Mo-Fr, 8-19 Uhr & Sa, 10-19 Uhr

 

Derzeit sind in einer Ausstellung im Café Versorgung auf der Leipziger Baumwollspinnerei fotografische Arbeiten zu sehen, die innerhalb eines Workshops mit Kindergartenkindern im Oktober entstanden sind.

Weitere Informationen unter www.kreativespinner.de

Gefördert durch

VORSCHAU

WHAT HAPPENED TO GOD?

9. Dezember 2011 bis 12. Februar 2012
Eröffnung: Fr, 8. Dezember 2011, 19 Uhr

 

Julia Benkert, Peter Beste, Chan Sook Choi, Marc Bijl, BORIS+NATASCHA, Boris Eldagsen, GODzilla-Productions, Christian Jankowski, Helmut & Johanna Kandl, Cristina Lucas, Rory Macbeth, Nii Obodai, Dan Perjovschi, Per Teljer

Ob wir an einen Gott glauben oder nicht - unsere Welt wird tiefgreifend von Ideen und Konzepten um Gott und das Göttliche beeinflusst. Die Vorstellung des Absoluten und das menschliche Streben, sich mit einer „höheren Macht“ in Einklang zu bringen, sie zu einem Bild des transzendenten, guten Schöpfers zu verdichten, um über dessen kollektive Verehrung Schutz, Trost und Glück zu finden, aber auch um Herrschaftsverhältnisse abzusichern, sind so alt wie die Menschheit.

Warum verhindert ein solches höheres Wesen nicht Leiden und Unglück auf der Welt? Diese zentrale, kritische Frage, die seit Anbeginn der Religionen Gläubige wie Nichtgläubige beschäftigt, findet ihre (vorläufige) Zuspitzung in der Formulierung, dass Gott stets einer ist, der Auschwitz zugelassen hat. Die sich zuspitzenden Problemstellungen des 21. Jahrhunderts, wie religiöse und ethnische Konflikte und Terrorismus, der Kampf um Naturressourcen, die Globalisierung und der Mangel an rationalen Lösungen zur Rettung der Welt scheinen einerseits zu korrespondieren mit einer erhöhten Glaubensbereitschaft. Andererseits sind Abkehr von der Kirche, Glaubensdefizit und Glaubensmissbrauch keine Seltenheit. Kennt Kunst Antworten auf die Frage: What Happened to God?

Gefördert durch

VORSCHAU

RUNDGANG DER SPINNEREIGALERIEN

Sa, 14. Januar 2012, 11-21 Uhr

Weitere Informationen unter www.spinnereigalerien.de und www.spinnerei.de